Engagement in der Krise – zumindest ein wenig
Mein Tag beginnt um 6.30 Uhr: Dann klingelt der Wecker. Ich lese meinen Kindern vor, „Ronja Räubertochter“ von Astrid Lindgren mögen sie gerade oder die Fantasy-Serie „Der magische Kompass“ von Philip Pullmann, dabei trinke ich Kaffee. Um 7.30 Uhr werden dann Hausaufgaben und neuer Schulstoff von der Grundschule per Mail an alle Eltern geschickt, das Gymnasium setzt auf die Lernplattform Mebis. Ich drucke aus, scanne ein, erkläre, helfe, muntere auf. Trinke noch mehr Kaffee. Wenn nicht ich, sondern mein Mann die Elternaufsicht des Homeschoolings übernimmt, gehe ich an seiner Stelle einkaufen, putze Böden und Bad und überlege, was wir als nächste Mahlzeit zubereiten. Mir ist bewusst, dass nicht alle Frauen, die mit Kind(ern) leben, die vielen neuen Aufgaben, die seit Corona auf der Liste stehen, so mit ihrem Partner teilen können: Wie wichtig es ist, für Gleichberechtigung einzutreten, sehe ich gerade mehr denn je!
Neben dem Privaten gehe ich meiner Erwerbstätigkeit nach: Schreibe Beiträge für den BR, führe Interviews über Videokonferenz, telefoniere und versuche damit zurechtzukommen, dass alle Veranstaltungen, zu denen ich als Podiumsgast, Moderatorin oder Vortragende eingeladen wurde, bis in den Herbst hinein gestrichen wurden. Meine Homeoffice-Zeit liegt immer dazwischen: Zwischen Mathe und Mundschutznähen, zwischen Arbeitsblätter einscannen und Abendessen. Tatsächlich gibt es dann noch ein Leben außerhalb der 10-Quadratmeter-Zone rund um den Küchentisch: Ich besuche meine 84-jährige Mutter, bin bis vor kurzem für sie einkaufen gegangen, telefoniere mit meinem Bruder oder mit Freundinnen.
Zeit für mein Engagement in Sachen Feminismus habe ich gerade wenig. Die Viertelstunde, die ich früher nach dem Einkaufen zur Verfügung hatte, um eine Onlinepetition für die Herabsetzung der Luxussteuer auf Tampons zu lesen, habe ich jetzt nicht mehr – durch Social Distancing dauert alles länger. Die Möglichkeit, mich mittags mit Aktivistinnen in einem Restaurant zu treffen, gibt es jetzt nicht mehr – und wo sollten wir uns auch treffen, um vertraulich und konspirativ zu sprechen, am To-go-Schalter eines Imbisses?
Trotzdem finde ich Zeit für Engagement und auch neue Bündnisse: Gestern habe ich entschlossen, die „Love Me Gender“-Kampagne anlässlich des „Internationalen Tags gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie“ am 17. Mai 2020 mit einem Foto zu unterstützen. Ich habe meinen Sohn als Fotografen verpflichtet und ihm nebenbei gezeigt, wie er Dateien vom Smartphone in einem Ordner in der Dropbox speichert. Informatik-Alltagswissen – im Fernunterricht geht’s derzeit um Textverarbeitungsprogramme. Wir haben rund 20 Bilder gemacht; das, mit dem ich die Kampagne unterstütze, ist nicht überall richtig scharf gestellt – aber es steht für mein Engagement in dieser Krisenzeit.