Sind Mütter dafür verantwortlich, dass aus ihren Söhnen im Patriarchat bloß keine Arschlöcher werden?
moral load einer feministischen Mutter
Die Journalistin Shila Behjat hat ein Buch veröffentlich unter dem Titel „Söhne großziehen als Feministin – Ein Streitgespräch mit mir selbst“. Darin spricht sie unter anderem von einem moral load, den sie verspürt – nämlich bloß keine Arschlöcher zu erziehen. In Anlehnung an den mental load – die Last an all die vielen Dinge des Alltags zu denken – verwendet Behjat den Begriff des moral loads. Damit mein sie eine moralische Last, die – ähnlich wie der mental load – vor allem von Frauen* getragen werde.
“Was ich für mich herausgearbeitet habe, war, dass es eben auch diesen moral load gerade als Mutter von Söhnen gibt, bloß keine Arschlöcher zu erziehen. Und da kreuzt sich diese Erwartungshaltung der Gesellschaft mit diesem ganz Privaten und Persönlichen – und natürlich auch der Individualität jeder Person. Ich habe zwei Söhne, die sind unglaublich unterschiedlich und gehen in komplett unterschiedliche Richtungen. Aber natürlich verspüre ich genau diesen Druck, dass es an der Zeit ist, dass es diese neuen Männer ja geben soll und geben muss – und ich als Mutter habe diese absolute Verantwortung, dafür zu sorgen. Und gleichzeitig, werde ich überhaupt nicht gesehen in dieser Bemühung. Das ist ja oft so, dass das für Frauen, für Mütter von Söhnen gar nicht darüber gesprochen wird, welche Rolle sie da vertreten oder welche Rolle sie da einnehmen.”
Shila Behjat zu ihrem Buch „Söhne großziehen als Feministin – Ein Streitgespräch mit mir selbst“
Vom Glück, eine Schweinemutter zu sein
„Überhaupt nicht nachvollziehbar“ findet Barbara Streidl diese Vorstellung einer moralischen Last.
„Ich versteh schon, was sie meint“, antwortet ihr Laura Freisberg – und damit sind wir schon im Streitgespräch unseres Podcasts zu der Frage: wie können wir Söhne, wie können wir Kinder im Patriarchat großziehen? Spoiler: es geht nicht nur im toxische Vorstellungen von Männlichkeit, sondern das ganze Paket: Sexismus, Rassismus, Klassismus.
Außerdem erweitern wir mit Shila Behjat das Repertoire der Mütter-Bezeichnungen (Glucke, Rabenmutter) um die Schweinemutter. Denn mit der „Schweinemutter“ feiert Behjat ihre Stärke als Mutter, die ihrer Meinung nach mehr gesellschaftliche Anerkennung bekommen könnte.
Dran bleiben lohnt sich: wie immer gibt es auch in dieser Folge einen feministischer Buchtip – heute von Barbara Streidl.
Bücher, die in dieser Episode vorkommen
- Sheila Behjat “Söhne großziehen als Feministin – Ein Streitgespräch mit mir selbst”
- Julia Korbik „Stand Up – Feminismus für Alle“
- Liv Strömquist „Ursprung der Welt“
- Elena Favilli und Francesca Cavallo, “Good Night Stories for Rebel Girls”
- Alice Hasters, „Was Weiße nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“
- Barbara Streidl, “Brücken bauen – Warum wir den Generationenkonflikt überwinden müssen”
- “Unlearn Patriarchy 2”, hg. von Alexandra Zykunov und Emilia Roig
- Mithu Sanyal über Emily Bronte, Infos über das Buch bei Kiwi online
Feministischer Podcast „Stadt, Land, Krise“
- Mithu Sanyal über ihr Buch “Identitti” in unserem Podcast
- BR berichtet über “#reclaimtiktok”
- Wikipedia über Radikalfeministin Andrea Dworkin
Mitmachen bei Frauenstudien München e.V.
Du kannst auch selbst Mitfrau werden und dich aktiv bei unserer Ideenfindung und Programmplanung einbringen. Mitfrau werden ist für dich kostenlos!
Metadaten:
- Produktion: Laura Freisberg und Barbara Streidl
- Illustration (Linolschnitt): Laura Freisberg
- Musik: Lenz Schuster
Spenden:
Geht natürlich – alle Möglichkeiten findet ihr unter “Spenden” hier auf der Frauenstudien-Seite. Vielen Dank!
Danke Euch für den Podcast. Ich habe mich beim Hören gefragt, wo eigentlich die Scheidelinie zwischen A#*lochigkeit und Bossyness verläuft und dann noch die weitere Unschärfe, die ich habe: Wieviel bossy gehört zu doing masculinity und ist dann bossy zu sein schon per se männliches Verhalten – oder eben nicht? Von daher irritiert mich auch die implizite Annahme, dass der Gleichheitsfeminismus die Angleichung an die hierarchische patriarchale Grundordnung bedeutet. Ich habe den Gleichheitsfeminismus eher im Sine universeller Gleichheit in und an Wert und Würde verstanden. Und genau dies wurde und wird ja teils noch immer Mädchen und Frauen nicht voll zugestanden, wie sich besonders auf dem internationalen politischen Parkett beobachten lässt. Beim Differenz-Feminismus merke ich mein älter Werden… denn ich habe noch gelernt, dass die früheren Vertreterinnen dieses Ansatzes von einer wesensmäßigen Andersartigkeit von Frau und Mann ausgingen (immer wieder herangezogen dabei: die Gebärfähigkeit und die Mutterschaft) und von dieser teils essenzialistischen Differenz her um die Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Menschen stritten. Ihr sprecht aber von Differenz-Feminismus im poststrukturalistischen dekonstruktivistischen (?) Sinne, etwa von Derridas différance inspiriert – oder? D.h. es geht dann eher um eine Grundannahme, dass jede:r zueinander unterschiedlich ist, was gewissermaßen die einzige Gemeinsamkeit aller ist. Jede Gruppierung wird dann zu einer Konstruktion, die ein- aber vor allem auch ausschließt. – Bei alle dem bleibt mir nun im Hirn, was können Eltern nun tun, um ihren Kindern unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen und der eigenen sozialen Positioniertheit eine möglichst von Rollenzwängen und einengenden Normen freie Entwicklung zu ermöglichen, sie dabei aber nicht zu in Omnipotenzphantasien kleben bleibenden zutiefst unsicheren oder (und daraus resultierend) überbordend selbstbezogen zu werden. Und ist diese entgrenzte und irgendwie verzerrte „Autonomie“ nicht dann schon wieder eine Falle von Männlichkeit? – Danke nochmals für die Anregungen, genau das alles zu denken. Vielleicht könnt ihr aber auch nochmal nachschärfen… Viele Grüße aus Berlin. Dag
Lieber Dag, schön, dass du geschrieben hast – und du siehst an dem ganz schön großen Delay, dass mich deine Nachschärfungsbitte in Sachen Gleichheits- und Differenzfeminismus in Zusammenhang mit Söhnen und Älterwerden irgendwie ganz schön fordert, wenn nicht überfordert.
Ich habe mich an meine eigenen Definitionen gehalten (nachzulesen im „Feminismus“-Buch bei Reclam). An Derrida habe ich gar nicht gedacht.
Wenn du magst, können wir uns dazu mal auf privaterem Kanal austauschen – und gleichzeitig lade ich dich herzlich ein, noch einmal in unserem Podcast über Definitionen mit uns zu diskutieren. Ganz lieber Gruß, Barbara